Das Urheberrecht: Was muss ich als Content-Ersteller beachten?

Schöpferisches Werk

22 Jul Das Urheberrecht: Was muss ich als Content-Ersteller beachten?

In den Untiefen des Urheberrechts sind schon einige wackere Social-Media-Seeleute gestrandet. Damit wir auf dem Ozean der Inhalte immer richtig navigieren, haben wir Adrian, einen führenden Experten in diesem Bereich, mit unseren Fragen gelöchert. Das Interview ist lang, aber es lohnt sich! Adrian SchneiderPassend zu unserem Kolumnenname siehst du danach klar und deutlich wieder Land und machst keine vermeidbaren Fehler.

Adrian Schneider ist Rechtsanwalt im IT-Team bei Osborne Clarke in Köln und berät dort Unternehmen in den Bereichen IT-Recht, Urheberrecht, E-Commerce und Datenschutz. Als Software-Entwickler hat er die IT-Branche auch einige Jahre aus technischer Sicht kennengelernt, unter anderem als technischer Leiter eines Startups, das er von der Gründung bis zum erfolgreichen Exit betreut hat. Außerdem ist er Mitbegründer des Jurablogs Telemedicus.

In Deutschland meckern viele über das Urheberrecht. Aber eigentlich hat das Urheberrecht ja einen Sinn. Zum Start eine sehr grundlegende Frage: Wer wird durch das Urheberrecht geschützt?

Die Grundidee des Urheberrechts ist der Schutz von Kreativen. Wer besonders kreative Leistung in ein Werk steckt – zum Beispiel ein Musikstück oder einen Text – soll dadurch belohnt werden, dass ihm dieses Werk „gehört“. Der Urheber darf dann alleine darüber bestimmen, was mit seinem Werk passieren soll – er darf es verkaufen, vermieten usw.

Zunehmend schützt das Urheberrecht aber auch Investitionen und rein technische, weniger kreative Leistungen. Wer zum Beispiel viel Geld aufwendet, um eine Datenbank zu erstellen, der soll genauso geschützt werden. Ebenso Programmierer, Fotografen, usw.

Inzwischen gilt das Urheberrecht vor allem bei Internetaktivisten als reformbedürftig. Was sind die großen Kritikpunkte?

Das Urheberrecht hat noch immer eine sehr romantische Vorstellung von kreativer Arbeit. Der Urheberrechtsschutz funktioniert super, wenn es um klassische analoge Kunst geht. Zum Beispiel bei einem Künstler, der monatelang Arbeit in sein Gemälde steckt und nun ein Schutzrecht braucht, damit er mit diesem Gemälde sein Geld verdienen kann.

Moderne Ideen, wie Remixe, user generated content, Filesharing über das Internet, das alles sind Konzepte, die das Urheberrecht in dieser Form nicht kennt – und damit oft überfordert ist. Das führt an einigen Stellen dazu, dass das Urheberrecht weder den Urhebern, noch den Nutzern weiterhilft.

Wie gesagt: Das Urheberrecht unterscheidet einerseits zwischen dem Schutz kreativer Leistung und andererseits dem Schutz von Investitionen und technischem Aufwand.

Als kreative Leistung kann so ziemlich alles geschützt sein – Texte, Musik, Fotos, Grafiken, Gemälde, you name it. Voraussetzung ist allerdings, dass dabei die sog. „Schöpfungshöhe“ erreicht wird. Das heißt, das Werk muss ein gewisses Maß an Kreativität mitbringen und sich vom Alltäglichen abheben.

Wenn ich zum Beispiel einen Einkaufszettel schreibe, dann ist das nichts Besonderes, nichts Kreatives, was vom Urheberrecht geschützt werden müsste. Anders zum Beispiel, wenn ich einen Songtext schreibe. Wenn das nicht gerade ein absoluter 0815-Text ist, ist er ziemlich wahrscheinlich urheberrechtlich geschützt. Wobei man an der Formulierung schon merkt: Es kommt immer sehr auf den Einzelfall an.

Daneben gibt es noch die sog. „Leistungsschutzrechte“. Bei denen kommt es nicht darauf an, wie kreativ ein Werk ist, sondern allein die technische oder wirtschaftliche Leistung ist geschützt.

Plattenfirmen haben zum Beispiel ein eigenes Leistungsschutzrecht an Tonträgern, wie CDs. Die erbringen zwar meist nicht die kreative Leistung – das machen die Interpreten. Die Plattenfirmen investieren aber viel Geld in den Vertrieb der Musik und bekommen dafür ein eigenes Recht an den Platten.

Gerade beim Teilen von Bildern ist die Verwirrung groß. So groß, dass sogar die zwei Medienprofis Jan Böhmermann und Kai Diekmann auf Twitter dagegen verstoßen haben und abgemahnt wurden. Was ist bei Bildern grundsätzlich zu beachten?

Fotos sind in der Tat ziemlich tricky. Dabei gibt es vor allem zwei Dinge, die man verstehen muss:

Erstens: Fotos sind immer vom Urheberrecht geschützt – auch dann, wenn sie nicht besonders kreativ sind. Für Fotos gilt nämlich eines der oben schon angesprochenen Leistungsschutzrechte. Die Idee dabei ist ziemlich antiquiert: Der Fotograf muss viel Geld in seine Kamera und das technische Equipment investieren. Diese Investition soll unterstützt werden, indem seine Fotos durch das Urheberrecht geschützt sind, unabhängig davon, wie gut die Fotos sind.

Diese Argumentation mag bei Profi-Fotografen auch heute noch passen. Bei Schnappschüssen mit der Handykamera mutet sie dagegen doch etwas seltsam an.

Zweitens: Es kommt im Urheberrecht fast nie darauf an, ob man ein Werk privat oder zu gewerblichen Zwecken weiterverbreitet. Wer ein fremdes Foto im Netz verbreitet, braucht in aller Regel eine Erlaubnis dafür.

Es reicht auch nicht aus, einfach nur die Quelle des Fotos zu nennen. Und auch das Zitatrecht greift meistens nicht. Das setzt nämlich voraus, dass man sich inhaltlich recht ausführlich mit einem Werk auseinandersetzt – zum Beispiel im Rahmen einer Fotokritik in einem Blog.

Mit der Sharing-Kultur bei Twitter oder Facebook passt das nicht so recht zusammen, sodass es da oft zu Konflikten kommen kann.

Inwieweit darf man urheberrechtliche geschützte Bilder bearbeiten und diese bearbeitete Version veröffentlichen?

Klar geht das immer, wenn man die Einwilligung vom Urheber hat. Ansonsten kommt es darauf an, wie genau man das Bild bearbeitet. Wenn man dadurch ein „selbstständiges Werk“ schafft, wie das Gesetz es ausdrückt, kann man sich auf die Ausnahme der „freien Bearbeitung“ berufen.

Gibt es eine Faustregel, wann die dafür benötigte „schöpferische Höhe“ erreicht ist?

Das Bild muss so bearbeitet werden, dass man dadurch ein neues geschütztes Werk schafft. Die Bearbeitung selbst muss also so kreativ sein, dass sie für sich genommen, unabhängig von dem Originalbild geschützt ist. Außerdem muss das Originalbild – so formulieren es die Gerichte – hinter dem neuen Werk „verblassen“. Beispiele wären etwa Collagen, wo man ein Foto zerschneidet und neu zusammensetzt.

Vom Bild zum Text: Inwieweit sind Texte geschützt? Was darf man übernehmen?

Anders als Fotos sind Texte nur geschützt, wenn sie eine gewisse Schöpfungshöhe erreicht haben.

Das heißt: Standardformulierungen sind urheberrechtlich meistens nicht geschützt. Beispiel: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“. Auch reine Sachtexte, die nur möglichst realistisch die Realität beschreiben, sind nicht geschützt – schlichte Bedienungsanleitungen zum Beispiel.

Wo genau aber die Grenze zwischen alltäglichen und urheberrechtlich geschützten Texten zu ziehen ist, lässt sich so abstrakt oft nur schwer sagen. Bei Vertragstexten wird es etwa schon schwierig: Normale Standard-AGB für einen Online-Shop sind oft nicht geschützt – individuell angepasste AGB für ein Startup meistens schon.

Selbst die Länge des Textes ist kein zwingendes Kriterium. Auch ein kurzer Textausschnitt von nur wenigen Wörtern kann geschützt sein, wenn sie etwas Besonderes sind und sich von der Masse abheben.

Das macht das Urheberrecht an dieser Stelle recht schwierig: Man muss sich jeden Fall einzeln anschauen.

Nach Bildern und Texten kommen wir jetzt zu Videos: Da habe ich die Begriffe „Streaming“ und „Framing“ in der rechtlichen Diskussion gehört. Was heißen diese und was bedeuten sie rechtlich?

Oha, da macht ihr aber die richtig großen Fässer auf.

Beim Streaming ist die Besonderheit, dass ich mir einen Film zwar über das Netz anschaue, ihn mir aber nicht herunterlade. Der Film wird quasi nur durch meinen Computer durchgeschleust. Weil ich mir den Film aber nicht dauerhaft auf der Festplatte speichere, ist es ziemlich umstritten, wie damit urheberrechtlich umzugehen ist.

Weitgehend einig ist man sich, dass Streaming legal ist, wenn die Quelle nicht offensichtlich rechtswidrig war. Wenn ich mir also bei Youtube ein Video im Kanal von der ARD anschaue, dann darf ich darauf vertrauen, dass die ARD auch die entsprechenden Rechte hat, um mir das Video zeigen zu dürfen.

Nach wie vor unklar ist aber die Situation bei illegalen Streaming-Portalen. Denn da kann niemand ernsthaft erwarten, dass die Videos dort legal hochgeladen wurden. Trotzdem gibt es viele namhafte Juristen, die das Streamen auch bei solchen Portalen für legal halten – natürlich nur aus Sicht der User, die Betreiber machen sich natürlich ultra-strafbar.

Ich persönlich bin da sehr skeptisch, ob bei so krass offensichtlich illegalen Fällen das Streaming wirklich für die User legal ist. Ich meine aber auch: Weil die Rechtslage derzeit so unklar ist, ist es zumindest sehr unwahrscheinlich, dass man belangt werden kann.

Außerdem glaube ich, dass sich die Diskussion durch Netflix, Watchever & Co. mittelfristig sowieso erledigen wird, ähnlich wie es bei Musik durch iTunes und Spotify der Fall war. Es war nie so leicht, guten Content legal zu beziehen und in Zukunft wird es sicher noch leichter.

Zum Framing: Da geht es um die Frage, ob ich Youtube-Videos in meine Webseite einbinden darf. Der aktuelle Stand ist da: Wenn das Video bei Youtube legal hochgeladen wurde, auf jeden Fall. Wenn das Video bei Youtube illegal hochgeladen wurde, muss man mal abwarten.

Der Bundesgerichtshof, das oberste deutsche Zivilgericht, hat sich erst vor wenigen Tagen mit dieser Frage befasst. Die genaue Urteilsbegründung ist aber noch nicht veröffentlicht, deshalb muss man erst mal abwarten, was die noch so bringt.

Jetzt einmal von der anderen Perspektive gefragt: Wie kann ich mich als Produzent von Bildern oder Texten auf der Urheberrecht berufen? Was tue ich, wenn ein Bild von mir auf einer Website auftaucht?

Generell habe ich als Urheber das Recht zu fordern, dass das Bild vom Netz genommen wird. Wurde das Foto vorsätzlich oder fahrlässig übernommen – was meistens der Fall ist – kann ich auch Schadensersatz fordern.

Wie genau man dabei vorgeht, ist sicher auch eine Stilfrage und abhängig davon, wer das Bild übernommen hat. Die große Kanone wäre, mit einer Abmahnung gegen die Benutzung des Bildes vorzugehen oder gleich vor Gericht zu ziehen. Aber natürlich kann man es auch eine Nummer kleiner angehen und erst mal per E-Mail darum bitten, das Bild zu entfernen.

Beide Varianten können durchaus legitim sein. Auch wenn es nicht so recht einzusehen ist, dass jedes dahergelaufene Selfie urheberrechtlich geschützt ist, müssen Fotografen doch auch von ihrer Arbeit leben. Insofern habe ich da durchaus Verständnis, wenn jemand seine Arbeit durch Abmahnungen verteidigt. Anders mag es aussehen, wenn die Abmahnung zum eigentlichen Geschäftsmodell wird. Das gibt es, ist meiner Erfahrung nach aber die Ausnahme.

Als Abschlussfrage: Was muss ich tun, wenn ich eine Abmahnung bekommen habe? 

Ruhe bewahren, nichts unterschreiben und ab zum Anwalt des Vertrauens. Abmahnungen sind sehr individuell und es gibt kein Patentrezept. Es kommt immer darauf an, um welchen Fall es geht. Und wenn man selbst anfängt, mit ergoogeltem Wissen an einer Abmahnung rum zu fummeln, ist die Gefahr groß, dass man sich selbst mehr schadet als nutzt.

Und um Abmahnungen gleich zu vermeiden empfehle ich, sich immer auf dem Laufenden zu halten. Schaut regelmäßig in juristische Blogs, lest die Beiträge zu Rechtsfragen bei Heise online und folgt ein paar Internet-Juristen auf Twitter. So habt ihr kritische Themen rechtzeitig auf dem Schirm. Und versucht, mit gesundem Menschenverstand an die Dinge heranzugehen: Fotografen, Software-Entwickler und Designer müssen auch von etwas leben. Respektiert ihre Arbeit, haltet euch an Lizenzen und fragt im Zweifel einfach nett nach, wenn ihr die Arbeit anderer benutzen wollt. Damit lässt sich das Risiko schon massiv minimieren.

Vielen, vielen Dank für das lehrreiche Interview!

3 Comments
  • danalovesfashionandmusic@gmail.com'
    Dana
    Posted at 12:10h, 21 August

    Es passiert ja auch oft, dass man gefragt wird ob man Fotos teilen möchte und bekommt die schriftliche Erlaubnis dafür.
    Wie kann ich sicher sein, dass derjenige, der mir diese Fotos anbietet auch tatsächlich der Urheber ist?

  • Moritz Orendt
    Posted at 12:38h, 21 August

    Hallo Dana,
    ich bin da jetzt kein Experte und mir wurde auch noch nie „einfach so“ ein Foto angeboten. Ich würde immer nach der Vertrauens- und Glaubwürdigkeit des Anbieters gehen – ich glaube 100% Sicherheit gibt es da nie.
    Besten Gruß aus München und schönes Wochenende!

  • a.schneider@asfs.de'
    Adrian
    Posted at 18:03h, 30 Oktober

    Arg spät, aber trotzdem will ich noch eine Antwort hinterlassen. Die fällt auch relativ kurz aus: Du kannst nicht sicher sein. Wenn dir jemand eine Erlaubnis gibt, bleibt immer ein Risiko, dass er oder sie das eigentlich nicht durfte.

    Man könnte jetzt natürlich hingehen und lange Verträge schreiben, in denen man versucht, das Risiko etwas einzuschränken. Aber wenn es nur um ein Bild geht, das man teilen möchte, würde ich persönlich das Risiko in Kauf nehmen.

    Man kann nicht immer alle Risiken ausschließen – wenn ich über die Straße gehe, kann mich kein Jurist davor beschützen, dass mich jemand rechtswidrig über den Haufen fährt. Allgemeines Lebensrisiko nennt der Jurist sowas.

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